Infrarot-Sehen von Schlangen

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Zwei Schlangenfamilien, die der Pitvipern ("pit vipers") und die der "boids", besitzen ein infrarotsichtsystem, welches ihnen ermöglicht ein zwei-dimensionales Abbild der Wärmeverteilung ihrer drei-dimensionalen Umgebung wahrzunehmen. Im Fall der "pit viper" werden die Infrarotsignale von zwei Vertiefungen, den so genannten Grubenorganen oder "pit organs", empfangen. Die Organe befinden sich links und rechts am Kopf des Tieres in der Nähe der Augen (Abbildung 1a). In der Vertiefung befindet sich die freihängende Pitmembran (1b). Sie ist sehr dünn (15 Mikrometer) und beinhaltet wärmeempfindliche Zellen, welche Temperaturänderungen von wenigen mK wahrnehmen können. Die Öffnung des Grubenorgans muss trotzdem relativ groß sein um Beutetiere, also sich rasch bewegende Wärmequellen, schnell erkennen zu können. Daraus resultiert die sehr schlechte optische Qualität des Grubenorgans als optisches Instrument. Dass die Schlange trotz des unscharfen Bildes auf der Pitmembran (Abbildung 3a) zu einem äußerst präzisen Jagdverhalten in der Lage ist, bezeichnet man als das Paradoxon des Infrarotsinns der Schlangen.

Abbildung 1: (a) Das Profil einer Tempelviper zeigt die Öffnung des linken Grubenorgans (pit hole). Es ist zwischen Auge und Nasenöffnung (nostril) angeordnet. Die schematische Skizze (b) zeigt das Verhältnis zwischen der Öffnung des Grubenorgans und der Abstand der Öffnung zur Pitmembran: beide sind etwa gleich groß. Deswegen wird ein Punkt des Inputs auf einen unscharfen Fleck ausgeschmiert, ein Abbild der Umgebung ist so nicht zu erkennen (Abbildung 3a). [Alle Bilder aus Physics Today.]

Wir stellten uns also die Frage, wie die Schlange trotz der schlechten optischen Qualität des Grubenorgans ein genaues neuronales Abbild der Umgebung erhalten kann. Hierfür entwickelten wir ein Modell, welches die fehlende Linse durch eine neuronale Verarbeitung kompensiert, gewissermaßen eine virtuelle Linse im Kopf der Schlange.

Abbildung 2: (a) Albrecht Dürers Hase von 1502. (b) Eine gerasterte (32x32 Pixel) Version des Hasen, welche beispielhaft als Wärmeverteilung dient. Die gestrichelte Linie zeigt das Sichtfeld des Grubenorgans mit einem Sehwinkel von ca. 100°.

Als "Beutetier" wurde der Hase Dürers (Abbildung 2a) benutzt. Unser Modell rekonstruiert jeden einzelnen Bildpunkt des Beutetiers aus der gemessenen Wärmeverteilung auf der Pitmembran (Abbildung 3a). Die dafür nötigen Rechenoperationen entsprechen genau denen, welche ein neuronales Feed-Forward Netz ausführen kann. Eine Untersuchung des Rekonstruktionsverfahrens deckte außerdem das zu Grunde liegende Prinzip der virtuellen Infrarotlinse, eine Superposition von Kantendetektoren auf. Ähnliche Arten von Kantendetektion existieren unter anderem auch im visuellen System zur Kontrastverstärkung. Auch findet sich für die Rekonstruktion eine neuronale Entsprechung. Biologen entdeckten eine neuronale Karte des Infrarotsinnes im optischen Tectum, einem Bereich im Schlangenhirn.

Abbildung 3: Für die Aufgabe, den Hasen aus Abbildung 2b zu rekonstruieren, werden nur die Messwerte auf der Pitmembran (a) benutzt. Die Abbildungen (b-e) zeigen die Rekonstruktion des hier vorgestellten Algorithmus bei unterschiedlichen Rauschpegeln (0.25%, 1%, 2% und 5%) auf der Membran und konstanten Modellparametern.

Einige Referenzen


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zuletzt geändert 2007-11-05 von webmaster@Franosch.org